Spiegel Online 09. Mai 2005
DOKUMENTENFUND
Auschwitz-Akten belasten NS-Rüstungsminister Speer
Von Klaus Wiegrefe
Hitlers Rüstungsminister Speer wird durch bisher unbekannte Auschwitz-Akten schwer belastet. Die Historikerin Susanne Willems fand Dokumente, in denen der Ausbau des Vernichtungslagers als "Sonderprogramm Prof. Speer" aufgeführt wird. Auschwitz-Kommandant Höß informierte enge Mitarbeiter Speers über den Massenmord.
Hitlers Rüstungsminister Albert Speer (1905-1981) hat bereits im Mai 1943 gewusst, was im Vernichtungslager Auschwitz geschah - und dennoch dessen Ausbau unterstützt. Das geht aus einem Vermerk vom 22. Mai 1943 aus den Bauakten von Auschwitz hervor, den die Berliner Historikerin Susanne Willems jetzt gefunden hat.
Demnach wurden zwei enge Mitarbeiter des Hitler-Adlatus in Auschwitz "über Entstehung und Zweck der hiesigen Gesamt-K. L. Anlage" von Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß persönlich informiert. Der SS-Obersturmbannführer gab den beiden Beamten einen Überblick über Geschichte und Aufgabe des Lagers und berichtete, dass zu den Funktionen "in letzter Zeit die Lösung der Judenfrage" hinzugekommen sei - darunter verstanden die Nationalsozialisten den Holocaust.
Die Vergasungen von Juden hatten spätestens im Frühjahr 1942 begonnen. Im Anschluss an die Besprechung erfolgte laut Vermerk "eine Besichtigung der gesamten K.L.-Anlage, wobei die Erläuterungen der Besprechung durch die Inaugenscheinnahme bestätigt bzw. bei weitem noch übertroffen wurden". Einer der Speer-Mitarbeiter versprach der SS, "bei der anderentags folgenden Vorsprache bei Reichsminister Speer" Materialwünsche des Totenkopfordens "mit den Unterlagen (Lichtbildmappe) vorzutragen" - was dann auch geschah.
Multifunktionär Speer zeichnete als "Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft" für die Baustoffzuteilung im "Dritten Reich" verantwortlich, und in dieser Funktion drängte er darauf, dass in Konzentrationslager mit Baustoffen sparsam umgegangen wurde. Nach einem Besuch im KZ Mauthausen war er Anfang 1943 mit SS-Chef Heinrich Himmler aneinander geraten, dem er eine "mehr als großzügige" Unterbringung der Häftlinge vorhielt. Himmler träumte damals von einem Wirtschaftsimperium und fürchtete, dieses könne nicht zustande kommen, weil zu viele der geschundenen Zwangsarbeiter an Entkräftung starben. Speer ermahnte ihn, "sofort zur Primitivbauweise" überzugehen.
Um sich ein Bild von der Lage in den KZ zu machen, schickte der Rüstungsminister seine Mitarbeiter Desch - dessen Vorname unbekannt ist - und Sander - wahrscheinlich NSDAP-Mitglied 2638019 Armin Sander aus Riga - in mehrere Konzentrationslager, darunter auch Auschwitz. Aus Unterlagen im Bundesarchiv ist seit langem bekannt, dass beide anschließend dem Minister "eingehend Bericht" erstatteten. SS-Unterlagen zufolge hatten sie bei der Inspektion festgestellt, dass insbesondere im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau "von einer Primitivbauweise gesprochen werden muß".
Bislang konnten Historiker allerdings nicht die Frage beantworten, wie genau die SS Desch und Sander in Auschwitz informiert hatte. Beide hatten sich nur wenige Stunden in dem riesigen Gesamtlager aufgehalten, zu dem auch Teile gehörten, in denen Menschen nicht vergast wurden. Nach dem vorliegenden Dokument besteht jedoch kein Zweifel, dass Desch und Sander spätestens seit ihrem Besuch vom Holocaust wussten.
Den Recherchen von Historikerin Willems zufolge wurden am Tage der Inspektion mehr als 900 polnische Juden aus dem Ghetto Sosnowiec in den Gaskammern ermordet. Nach seiner Entlassung aus alliierter Haft 1966 hatte Speer, der zeitweise zu den potentiellen Nachfolgern des Diktators zählte, stets behauptet, vom Holocaust keine Kenntnis gehabt zu haben. Er war damit zum Kronzeugen jener Deutschen aufgestiegen, die jegliches Wissen vom Mord an den europäischen Juden leugneten.
Bereits in den siebziger Jahren stellte sich allerdings heraus, dass Speer im Oktober 1943 auf einer Tagung in Posen einer Rede von SS-Chef Heinrich Himmler beigewohnt hatte, in der dieser offen über die Ermordung der europäischen Juden sprach. Der einstige Architekt Hitlers versuchte sich damit herauszureden, die Tagung vorzeitig verlassen zu haben, was heute auch ihm wohlmeinende Historiker nicht glauben.
Willems Dokumentenfund ist ein weiterer Beleg dafür, dass Speer die Öffentlichkeit jahrelang in die Irre zu führen suchte. Noch im Mai 1943 hatte er der SS im Anschluss an den Vortrag von Desch und Sander einige tausend Tonnen Eisen für den Ausbau von Auschwitz-Birkenau genehmigt. Der von Speer zuvor kritisierter Himmler dankte "sehr herzlich" und fügte hinzu, er fühle sich "in der Überzeugung bestärkt, dass es doch noch Gerechtigkeit gibt".
Meine Frage lautet: Ist das Speergedicht angesichts der neuen Erkenntnisse, auch nach meinem eigenen erweiterten Wissen, noch richtig? Es gab zwei Fassungen, eine Rohfassung, die nicht überarbeitet wurde, weil sie gleich in der Schublade landete, und eine verbesserte Fassung nach einem Gespräch mit einem Robert im Forum Hagalil.
http://forum.hagalil.com/cgi-bin/a/show ... #POST94885
Pathos ist wirklich fehl am Platz, will ich nicht. Alles ist eigentlich ganz anders. Darum bin ich nicht zufrieden. Die diffuse und auch zweifelhafte deutsche Identität, wie Sie richtig sagen, Robert, wird es um so mehr, je präziser sie definiert werden soll. Ziemlich zum Anfang meines entsprechenden Titels kommt dies, aber ich bin damit unsicher und weiß nicht so recht, ob pathetisches Versmaß gegen Pathetik richtig ist. Nichts ist "richtig".
Albert Speer, gesehen aufgrund eines TV-Beitrags am 6.11.96 und eines von ihm unterzeichneten Dokumentes, die Baracken der Vernichtungslager seien zu aufwendig konstruiert. Der Nichtwisser war damit als mitgestaltender Mitwisser und Mittäter entlarvt. Deshalb versuchte ich, diese Entdeckung mit dem zu verbinden, was wirklich geschah:
Speer - Speer - Speer der Speere Hitlermaniens, Choreograph der Feste,
Spiele, Architekt und Freund am Planungstisch des „Führers“, perfekter
Organisations- und Rüstungschef, alert, germanisch-schön und
schneidig, weltplanerisch und mutig an der Front und doch – wie viele
Leben hat dein Fleiß, dein Dienen, Ehrgeiz, Eifer wohl gekostet bis
Zum weit hinaus gedehnten Ende, und wie hoch genau stieg der Karriere
Flug, wie tief genau lag damals Stadt und Land - denn dort herunter
Wolltest du nicht schauen, nein, das hehre Reich, monumental,
Erstrahlte oben in der Phantasie, verklärt in Göttlichkeit und Macht, den
Sphären reinen Menschentums für ewig, jenseits jener Farbe Grau, die
Sich mit Schmutz und Blut verkrusten kann, bizarre Formen wild
Gebiert, verscharrt und zugeschaufelt wird, weil sie die lichte Gerade
Stört, den Strahl tausender Jahre Macht und Herrschaft über Völker,
Welten, und wie weit genau stak dieser Speer im Zukunftsland
Verwandelt, rein und sauber, deutsch gewaschner Erden, denn – den
Grauen Vorzustand, den Zustand vor der Phantasie, den Zustand Leben
Im Veränderungsprozess, das darin kriechend graue Volk, das wolltest
Du nicht sehen, denn - Baracken in Kazet's, sie waren dir zu prächtig,
Schlichter wolltest du die Stätten kurzer Planung, dieser kurzen
Störungen der Ewigkeit, der Unterbrechung Walhalla's, des kurzen
Siechtums für die Zeit danach, der logischen Erniedrigung, geplanten
Tötung saubren deutschen Herzens, deutscher Forschung an den
Wehrelosen, deren Schmerzensschreie die Berichte nicht tangierten,
Doch - die Stätten, stillgehalten, wie ein glimmend bunter Dom aus
Geist und Seelen, Mütterseelen, Kinderseelen, ein Chartres'ker Dom
Trotz Ausgeliefertseins, umzäunt, bewacht, ein Fensterchor fast ganz
Erstickter Trauer, Hoffnung, Liebe, Leiden, Schmerzen, Tode, Schreie,
Mit Gewalt verschlossen, heimisch dampfend die Maschinen kollektiver
Tötungsplanung, dennoch: dieser Dom der Seelen währt wohl ewig, und
Die Stätten kurzer Planung wurden, werden mächtiger und größer als die
Sinnlos aufgeblähten NS-Bauten, Speer!, die, monströs und seelenlos,
Aus großen leeren Türen Planung sauberer Geraden zeugten, ohne Atem,
Ohne Lebenssaft und Aderblut, doch nur kalt kopierte missverstandene
Antike zum Gefallen eines Führers, der, Mefistoähnlich, in der
Perspektive seines Volkes wie ein Gott erschien, doch aus der Sicht Sir
Chaplins wie ein komisch irrtümlicher Witz des Größenwahns, fast wie
Ein Irrtum der Geschichte, wäre doch, ja wäre doch der Irrtum nie
Passiert, oh Gott, die deutsche Irrfahrt bis zum Teil in unsre Tage war
Doch nur ein komisch irrtümlicher Witz, ein komisch kitschiges
Gemisch aus Treu und Glauben, Fleiß, aus deutschen Tugenden, oh Gott!
(micha vonRhein, 7./20.11.96)
http://forum.hagalil.com/cgi-bin/a/show ... #POST96890
Hauptsächlich an Robert! Die Speercharakterisierung hatte ich ein wenig verbessert.
Speer – du Speer der Speere Hitlermaniens, Choreograph der Feste,
Spiele, Architekt und Freund am Planungstisch des „Führers“ und perfekter
Organisations- und Rüstungschef, alert, germanisch ideal und
schneidig, planerisch und mutig an der Weltkriegs-Front und doch – wie viele
Leben hat dein Fleiß, dein Dienen, Ehrgeiz, Eifer wohl gekostet bis zum
Weit hinaus gedehnten Ende, und wie hoch genau stieg der Karriere
Flug, wie klein war die Kristallnacht einst - denn dort herab, so weit herunter
Wolltest du nicht schauen, nein, das überhöhte Reich, monumental, es
Strahlte oben in der Phantasie, verklärt in Göttlichkeit und Macht, in
Sphären lichten Menschentums für ewig, jenseits jener Farbe Grau, die
Sich mit Schmutz, realem Blut verkrusten kann, bizarre Formen wild
Gebiert, verscharrt und zugeschaufelt wird, weil sie die reine Grade
Stört, den Strahl der Tausend Jahre Macht und Herrschaft über Völker,
Welten, und wie weit genau stak dieser Speer im Zukunftsland, im
Wandel blank und sauber, deutsch gewaschner Erderoberung? Den
Grauen Vorzustand, den Zustand vor der Licht-Vision, den Zustand Leben
Im Vernichtungswahn, das gnadenlos verschleppte Juden-Volk, du wolltest
Ihn nicht sehen. Die Baracken in Kazets, sie waren noch zu prächtig.
Schlichter wolltest du die Stätten kurzer Planung, dieser unbequemen
Störungen der „Ewigkeit“, der Unterbrechung Walhallas, mit kurzem
Siechtums für die Zeit danach, mit logischer Erniedrigung, geplanter
Tötung „saubren“ deutschen Herzens, selektiver Forschungen an
Menschen, deren Hilfs- und Schmerzensschreie Arzt-Berichte nicht tangierten.
Doch - die Stätten leuchten wie ein hoher Diamanten-Dom aus
Geist und Seelen, Mütterseelen, Kinderseelen, ein Chartreser Dom trotz
Ausgeliefertseins, umzäunt, bewacht, ein Fensterchor brutal erdrückter
Trauer, Hoffnung, Liebe, Leiden, Nöte, Schmerzen, Tode, Schreie,
Mit Gewalt gefangen; heimisch dampfend die Maschinen kollektiver
Tötungsplanung, dennoch: dieser Dom der Seelen währt wohl ewig,
Und die Tötungsstätten wurden, werden mächtiger und größer als die
Sinnlos aufgeblähten NS-Bauten, Speer, monströs und seelenlos, mit
Furcht gebieterischen Räumen, kantigen Geraden, ohne Atem,
Ohne kulturelle Kraft, nur äußerst kalt kopierte, lächerliche
Protz-„Antike“ zum Gefallen Hitlers, der, in kranker Eitelkeit sich
wie ein Wotan-Gott bejubeln ließ, doch aus der Sicht Sir Chaplins wie ein
komisch irrtümlicher Witz des Größenwahns erschien, als wäre er ein
Irrtum der Geschichte, wäre doch, ja wär der „Irrtum“ nie passiert, oh
Gott, der deutsche Rassenwahn, die Überheblichkeit, sie wären
Nur ein irrtümlicher Albtraum und ein kitschiges Gemisch aus
dummer Treue, Ehre, falschem Glauben, Fleiß, aus deutschem Wesen . . .
(micha vonRhein, 7./20.11.96, korrigiert am 02. und 03.02.2005)
Ich schaue mir die Fassungen heute Abend noch einmal an. Vielleicht läßt sich etwas verbessern.