Die Arbeitslosenversicherung sei kein individueller Sparvertrag, sagte Horst Köhler dem Redetext zufolge in Bochum bei der Vollversammlung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Das Arbeitslosengeld sei vielmehr eine Risikoversicherung und damit ein Bollwerk gegen Notfälle. Seine Bezugsdauer nach Einzahlungszeit zu staffeln, würde das Versicherungsprinzip schwächen: "Und damit eine zentrale zivilisatorische Leistung und soziale Errungenschaft zur Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften."
Rüttgers fordert eine Staffelung. Die beiden Standpunkte blicken jeweils zum anderen Flussufer. Der Fluss heißt Deutschland.
Wo liegen die logischen Fehler dieser konträren Argumentation? Die Lebensversicherung ist ebenfalls eine Risikoversicherung und wird dynamisch auf Heller und Pfennig abgerechnet. Die Rentenversicherung - eine Zwangsversicherung des Staates - wird ebenfalls dynamisch und individuell bemessen, aber unsozial, ungerecht und unverschämt verteilt. Irgendetwas an dem Argument Köhlers ist somit mit Sicherheit falsch.
Die Idee "Bezugsdauer nach Einzahlungszeit" ist unvollständig. Es müsste richtig heißen: "Bezugsdauer nach Einzahlungs-Volumen und -Zeit." - wenn genau abgerechnet werden würde. Diese Abrechnung nach Leistung wird dem Bürger nun verweigert, weil der satte Verwaltungsstaat mit den Arbeitslosen ein Problem hat. Er hat deswegen ein Problem, weil jede kleine Arbeit eines Kleinverdieners mit Verwaltungs- und Steuerdrohungen belastet wird. Den Menschen werden Initiativen des eigenen Existenzwachstums durch nimmersatte Steuer- und Abgabengier abgewürgt. Sie werden theoretisch stranguliert, noch bevor sie aktiv werden. Ihnen wird Angst gemacht, eine freiberufliche Existenz zu gründen.
Wer bei schönem Wetter draußen ein paar Stühle aufstellen will, um irgendetwas besser verkaufen zu können, zieht eine Verwaltungsmeute auf sich, die einen endlosen Gang durch Behörden erzwingt. Dort warten Formulare über Formulare, Gebühren nach jedem Schritt, bis endlich vielleicht eine Ablehnung erfolgt. Solche Behörden verlangen oft höhere Preise als sie in der freien Wirtschaft üblich sind, obwohl Staatsgehälter und Renten eigentlich einen zuvorkommenden Dienst am Bürger erwarten ließen. Der Bürger ist entmündigt. Die Arroganz Bürgern, Handwerkern, Kleinbetrieben und selbständigen Kleinstverdienern gegenüber kennt keine Grenzen. Eine Auskunft beim Finanzamt kostet in Zukunft 100 Euro. Das bedeutet, dass der klein gedrückte Steuerzahler auch noch dafür bluten muss, wenn er seine Steuer ausrichten will und sich an die zuständige Behörde wendet, um Rat einzuholen.
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Wir haben inzwischen eine resignierende Schicht ohne Chancen. Die parasitäre Schicht der Selbstbediener oben sind die so genannte (asoziale) Unterschicht, meine ich mal, und nicht die strangulierte Schicht, die wachsende Grundkosten des Lebens nicht mehr bewältigen kann.
Das Versicherungsprinzip wird geschwächt, aber durch eine Egalisierung der Versicherten, weil der Verwaltungstaat ungerecht verteilen will. Das Leistungsprinzip soll plötzlich nicht gelten. Die damit verbundene Schwächung enthält sozialen Sprengstoff. Die ungerecht Geschröpften mit langen regulären und erfolgreichen Arbeitsjahren werden eine Art Hass entwickeln, wenn sie plötzlich arbeitslos gemacht werden. Dieser Hass richtet sich dann auch gegen einen Bundespräsidenten, der falsche Argumente verwendet und auf der Seite eines nimmersatten Staatsapparates steht und nicht auf der Seite hilfebedürftiger Bürger. Der faule Verwaltungstaat hat es versäumt, die Globalisierungprobleme vorherzusehen und Konzepte zu entwickeln. Zunehmend finden die Neonazis Gelegenheit, sich für diese hilflosen Bürger zu empfehlen und Stimmen zu angeln.
Die scheinbar "gerechte" Auffassung des Bundespräsidenten ist im höchsten Maße ungerecht und spielt den Neonazis in die Hände.
Versicherung und Bemessung von Renten klaffen bei Staatsangestellten und Selbständigen auseinander. Grob gesagt: Selbständige müssten 300 Jahre arbeiten, um eine mittlere Rente von Staatsbediensteten zu erreichen. Der eigensüchtige Verwaltungsapparat mit Parteibonzen überall und in doppelter Besetzung erweist sich als ein ausraubendes Mafia-System, als kriminell räuberisch. Hier liegt die eigentlichen Ursache, dass einer hilflosen Bevölkerungschicht alle Chancen davonschwimmen. Denn die Steuergelder fließen in den Apparat selbst, statt aus diesem zurück zu kommen.
Auch Herr Rüttgers macht Denkfehler, indem er diesen Raubbau nicht anspricht. Auch er fordert eine Pseudogerechtigkeit. Wie steht es denn mit der Rentengerechtigkeit? Gibt der Staat einen Bruchteil zurück? Wäre jede Angestelltenrente, frei finanziert, nicht viel höher? Auch an der Substanz der Zwangsversicherung vergeht sich der Staat. Jedes Kapitalwachstum streicht die Bundesbank selbst ein, füttert den Staatsapparat, vergisst die Einzahler, die keine Finanzierungsabrechnungen bekommen. Niemand weiß, wohin ein Teil der Gelder verschwindet. So ähnlich verhält es sich mit jeder staatlichen Zwangsversicherung, auch mit einer gestaffelten und gerechteren Arbeitslosenversicherung. Wird eine solche Versicherung im Leistungsteil noch dazu glatt geschliffen, werden alle Kontrollmöglichkeiten über staatliche Zapfhähne gleich mit geschliffen.
Siehe auch:
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Auf dem Bild des lesenswerten Spiegelartikels sind keine "Unterschicht"-Menschen zu erkennen. Vielmehr sind die Gesichter gute Durchnittdeutsche, vielleicht sogar mit mehr Charakter als vielerorts in selbstgefälligen "bürgerlichen" Bevölkerungsschichten.