Bezug:
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Kennen Horst Köhler und Jürgen Rüttgers die eigene deutsche Nationalhymne wirklich?
Schadows Quadriga von 1793, dem Jahr der ersten polnischen Teilung, sollte ein Friedens-Symbol sein. In Wirklichkeit diente die Sieges-Göttin dem preussischen Expansions-Bestreben, bis in der Schlacht bei Jena und Auerstedt Preußen eine vernichtende Niederlage gegen die Truppen Napoleons I. erlitt. Die Niederlage stellte gleichzeitig den Untergang des bisherigen altpreußischen Staates dar, wie es ihn bis zu diesem Zeitpunkt gegeben hatte. Der Staat verlor 1807 im Frieden von Tilsit etwa die Hälfte seines Gebietes.
Die Niederlage des expansiven militaristischen Königtums Preussen wiederholte sich, bezogen auf ein preußisch-militaristisches deutsches Kaiserreich mit der Folge drückender Reparationszahlungen, im Jahre 1918.
Wo ist dazwischen die Motivation des Deutschland-Liedes von Hoffmann von Fallersleben zu finden? Die Frage ist, ob das Deutschland-Lied inmitten des Expansions-Dranges der Deutschen einen militaristischen Kern enthält oder ob der Text ganz und gar harmlos ist.
Nach Waterloo 1815 und dem wiedererstarkten Preussen folgte ein Nord-Süd-Gefälle in deutschen Landen. Die Hoffnungen auf einen deutschen National-Staat mit einer Verfassung und eventuell konstitutioneller Monarchie ruhten auf Preussen. Blücher hatte 1815 entscheidenden Anteil daran, Napoleon ins Exil zu schicken. Die Stein-Hardenbergschen Reformen, die Aufhebung der Leibeigenschaft, Selbstverwaltung der Städte, Gewerbefreiheit, das Bildungswesen Wilhelm von Humboldts und eine Heeresreform mit allgemeiner Wehrpflicht machten Preussen zu einem modernen Staat, der sich am Freiheits-Gedanken der Französischen Revolution orientierte, dabei die militärische Schlagkraft des Herrschafts-Systems Napoleons übertrumpfte. Dahinter blieben andere deutsche Kleinstaaten im Süden, die sich Napoleon angeschlossen hatten, zurück. Das Deutschland-Lied beschwört im historischen Kontext ein Schutz- und Trutzbündnis, das sich auf Preussen als Führungs-Macht bezog.
Zwar hatte die "Heilige Allianz" zwischen Friedrich Wilhelm III, dem Zaren des Russischen Reihes und dem Kaiser von Österreich das Ziel, nach dem Wiener Kongress 1815 demokratische und liberale Ansätze in Deutschland zu unterdrücken, der "Deutsche Bund" und der "Deutsche Zollverein" wirkten dem jedoch aus wirtschaftlichen Gründen entgegen. Das Deutschland-Lied beschwört eine Brüderlichkeit als Symbiose des preussischen Herrschaft-Systems und des freiheitlich gesinnten Bürgertums. Mit "Einigkeit" war das Nord-Süd-Schutz-und-Trutz-Bündnis gemeint, das wenig später verwirklicht wurde, mit Recht eine konstitutionell-monarchische Verfassung, mit Freiheit die auf ein Gesamtdeutschland auszudehnenden Stein-Hardenbergschen Reformen zusammen mit den weiteren Freiheiten, die oben genannt wurden.
Die Anhänger einer deutschen Einigung der Nord- und Südstaaten mit liberaler Verfassung, in größerem Umfang einschließlich Österreich oder im kleinere Umfang nur einschließlich Bayern, waren so zahlreich geworden, dass die revolutionären Barrikadenkämpfe zum Beispiel in Berlin am 18. März 1848 lange Zeit bereits in der Luft lagen. Mit Otto von Bismarck, der das Kaisertum stützte, kam es im Zuge seiner Einigungs-Kriege auch zu dieser Einigung von Bürger- und Kaisertum. Sie führte unter Wilhelm II., der Bismarck entmachtete, zu einem kraftstrotzenden überzogenen Militarismus als Fortsetzung der historischen Entwicklung Preussens, mit dem Potential einer bedingt befreiten Bevölkerung. Nahezu das gesamte Bürgertum ließ sich massiv begeistern, verlor gelegentlich jeden Skrupel und zog mit wehenden Fahnen wie Lemminge in den ersten Weltkrieg.
Vorerst ruhten die Hoffnungen auf Friedrich Wilhelm IV., dem neuen preussischen König ab 1840. Sie wurden enttäuscht, bis es zu Barrikaden-Kämpfen kam. Die Hoffnungen der Liberalen aber, bevor sie enttäuscht wurden, konzentrierten sich wie in einem Apell an Friedrich Wilhelm IV. - auf Helgoland, im Text des Deutschland-Liedes von Hoffmann von Fallersleben, der mit deutschen Sprachgrenzen in der ersten Strophe am 16.08.1841 eine großdeutsche Brüderlichkeit von König- und Bürgertum zeichnete, wie sie danach zuerst auch die Frankfurter National-Versammlung 1848 beschloss. Das Deutschlandlied erklang in dieser Versammlung. Die "Einigkeit" der dritten Strophe bezog sich auf ein nationales Bündnis aller staatlichen Kräfte, bezogen möglichst auf ein großdeutsches Reich., das die erste Strophe zumindest in seinen Sprachgrenzen umriss. Die erste und die dritte Strophe gehören untrennbar zusammen.
Da noch immer eine französische Gefahr drohte, auch nach Napoleon, hatte dieses Bündnis auch einen Namen: "Schutz- und Trutzbündnis". Das Deutschland-Lied war somit exakt eingebunden in eine deutsche politische Entwicklung, die militaristisch geprägt war und in der sich diktatorische und liberale Elemente miteinander vermischten.
Nun, denke ich, versteht man das Deutschlandlied richtig. Die Hoffnungen ruhten auf Preussen. Das "Schutz- und Trutzbündnis" wurde im Deutschland-Lied herausgefordert. Nach dem Österreichisch-Preußischen Krieg, der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 mit dem erfolgreichen preussischen General Helmuth von Moltke, und dem Prager Frieden vom 23.08.1866, wurde dieses Bündnis, ganz im Sinne des Liedes von Hofmann von Fallersleben, diktiert. Die beiden Zeilen im Deutschlandlied "Wenn es (Deutschland) stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält", behielt einerseits seine defensive und idealistische Färbung gegen Aggressionen von außerhalb deutscher Grenzen, andererseits enthalten diese Zeilen auch das Potential einer organisierten, militärischen und halbwegs diktatorischen Brüderlichkeit.
Vom auferlegten Schutz- und Trutzbündnis an, auferlegt vom siegreichen Preussen, bezog sich "deutsche Einigkeit" im Sinne von vaterländischer Einigung stets nur noch auf Gebiets-Eroberungen oder -Rückeroberungen, niemals aber mehr auf eine defensive Einigkeit wie einst nach den Napoleonischen Kriegen. Das straff geführte Kaiserreich mit einer dominanten Kaiser-Hymne führte zu einem begeistert begonnen Weltkrieg in Erinnerung an den Sieg über Frankreich 1870/71, wobei preussisch-deutscher Militarismus triumphierte.
Hitler war innerhalb dieser Neuorientierung weg von defensiver Einigkeit hin zu befohlener militaristischer Einigkeit "nur" ein idiotisch-fanatischer Vollstrecker, der unter dem Gemälde seines krankhaft missverstanden Vorbilds Friedrich des Großen im Führer-Bunker von Berlin schließlich einen feigen Selbst- und Doppelmord beging, nachdem er Deutschland vollends in den Abgrund reißen wollte und sein Traum von der ersten Strophe des Deutschland-Liedes geplatzt war.
Bundes-Präsident Köhler ist innerhalb dieser Neuorientierung hin zu Eroberung oder Gebiets-Rückeroberung, entgegen dem defensiven Sinn eines sich schützenden Staates, nur noch ein blasses Abbild, der zaghaft versucht, ob mit dem Anstimmen der ersten Strophe des Deutschland-Liedes einst vielleicht doch noch Deutschlands "Größe" zurück geholt werden kann.
Herr Rüttgers in Nordhein-Westfalen möchte das Kreuz mit der Hymne gerne bei den Kindern verfestigen:
Rüttgers bedauerte, dass laut einer aktuellen Umfrage nur gut die Hälfte der Deutschen die eigene Nationalhymne kennt. Mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung soll in den nordrhein-westfälischen Schulen nun verstärkt Material zur Landes- und zur deutschen Geschichte eingesetzt werden. Rüttgers will außerdem mehr Fahnenschmuck vor öffentlichen Gebäuden durchsetzen.
Wann werden diese Leute begreifen? Deutschland kann zur unbe-scholtenen, defensiven und legitimen vaterländischen Einigkeit der Frankfurter Nationalversammlung und des historischen Burschenschaft-Liedes niemals mehr zurückkehren. Es kann das Rad der Geschichte nicht zurück drehen. Es muss aus seiner fatalen Geschichte lernen und eine neue friedlichere Identität finden. Vielleicht bemühen sich die Herren Koehler und Ruettgers besser um eine Nationalhymne, die innerhalb des Landes auch von Opfern des National-Sozialismus bedenkenlos gesungen werden kann.
Deutsche hatten keine väterländische Einigkeit, Engländer wohl. Spricht man darüber mit einem Briten der älteren Generation, versteht er sofort den Widerspruch, dass die verteidigende Einigkeit seines Landes als am Leibe erfahrene hautnahe Geschichte erlebt wurde, von den aggressiven Deutschen aber in ihrer Nationalhymne beansprucht wird, ohne dieses Erlebnis je gehabt zu haben.
Selbst während und nach dem Zusammenbruch Deutschlands um 1945 gab es keine Einigkeit, weil eine umfassende Landesverteidigung nicht mehr möglich war. Der diktatorische "Einiger" Hitler wollte gar eine totale Zeistörung des eigenen Landes, nachdem totaler Krieg nicht erfolgreich war. "Sein" Volk hatte anfangs Eroberungen nach Blitzkriegen genossen, bejubelt, den siegreichen "Führer" am Arc de Triomphe in Paris noch für göttlich gehalten. Am Ende machte sich Weinerlichkeit breit, Trümmerfrauen sollten aufräumen und der Kohlenklau ging um. Einigkeit war selbst in der Not nicht zu erkennen.
Einem demoralisierten Deutschland musste mit einer fremdbestimmten demokratischen Verfassung aufgeholfen werden. Die "Aufarbeitung" der Geschichte stieß auf Unbelehrbarkeit, die heute eine Art Endsieg feiert. Die Staats-Spitzen fangen schon wieder an, mit undefinierter "Einigkeit" in der Nationalhymne Korrekturen am "Deutschen Reich" in militante Zukunft zu schreiben. Selbsterkenntnis ist für sie ein Fremdwort. Sie machen das Land zu einer verblassten abgerittenen Schabracke, die sich mit 65 noch für jungfräulich hält. Ihre falsche Identität hält sie für ein "Unterpfand des Glückes", das sie im "
Glanze dieses Glückes" wieder erblühen lässt.